Zwei Keynotes markierten einen der intensivsten Momente des EDP-Kongresses in Bilbao: die Beiträge von Paolo Benanti und Thierry Breton. Zwei unterschiedliche Stimmen, vereint durch dasselbe Bewusstsein: Die europäische Demokratie steht vor einem tiefgreifenden Wandel und muss jetzt entscheiden, welche Rolle sie spielen will.
Paolo Benanti, Theologe und Experte für Technologieethik, beschrieb die Auswirkungen der KI mit einer Klarheit, die den Saal in ihren Bann zog. Heute leben wir, so erklärte er, in einer „softwaredefinierten Realität”, einer Realität, die von Objekten beherrscht wird, von denen wir glauben, dass wir sie besitzen, die aber in Wirklichkeit dank Software funktionieren, über die wir keine Kontrolle haben. „Wenn Sie die Software nicht besitzen, besitzen Sie nicht wirklich das, was Sie in den Händen halten”, erinnerte er und zeigte, wie ein einfaches Update ein harmloses Gerät in ein Überwachungs- oder Manipulationsinstrument verwandeln kann. Es handelt sich um eine neue Form der Macht, still und allgegenwärtig, die die persönliche Autonomie, die Sicherheit und sogar die Qualität der öffentlichen Debatte neu definiert. Benanti warnte, dass sich diese technologische Abhängigkeit direkt auf die Institutionen auswirkt: „Wenn die Demokratie softwareabhängig wird, dann kontrolliert derjenige, der die Software kontrolliert, auch die Demokratie”. Deshalb muss die Politik wieder die Souveränität über die Rechenleistung zurückgewinnen, bevor es zu spät ist.
Anschließend richtete Thierry Breton den Blick auf die internationale Arena. Seit dem 20. Januar, so sagte er, sei die Welt in eine Phase eingetreten, die von dem Verlust eines wesentlichen Elements geprägt sei: „Vertrauen. Es ist verloren gegangen, und daraus ergibt sich alles andere.“ Ohne Vertrauen halten weder Allianzen noch Handelsregeln noch das Gleichgewicht zwischen den Demokratien. In diesem Szenario steht Europa unter Druck, gerade als es endlich ein weltweit einzigartiges Regulierungsmodell geschaffen hat – von den Vorschriften für Big Tech bis zum AI Act. Breton machte keinen Hehl aus seiner Besorgnis über diejenigen innerhalb der Union, die versuchen, dieses Regulierungssystem zu demontieren. „Besser Instabilität als Demütigung“, sagte er und widersetzte sich der Versuchung, Regeln zurückzunehmen oder zu schwächen, die zum Schutz von Rechten, Wettbewerb und digitaler Sicherheit geschaffen wurden. Es war ein direkter Appell an die europäischen Demokraten: die erzielten Errungenschaften zu verteidigen, dem Druck zu widerstehen und weiterhin an das europäische Modell als glaubwürdige Alternative zu den beiden Extremen – amerikanische Deregulierung und chinesische Überwachung – zu glauben.
Benanti und Breton haben, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven, dieselbe Botschaft formuliert: Europa kann nicht in Trägheit verharren. KI, Digitalisierung, Geopolitik und globaler Wettbewerb definieren das Gleichgewicht schnell neu. Um eine führende Rolle zu behalten, muss Europa Mut, Verantwortung und eine Vision wählen, die Innovation, Rechte und Souveränität miteinander verbindet.




